17.11.2011
Es scheint, als hätte der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann nicht nur gute Freunde. Auf seiner Facebook-Seite sind etliche augenscheinliche Fake Friends aufgetaucht.
Jetzt ist natürlich jeder, an dem der Ausdruck „Social Marketing“ schon einmal wenigstens vorbei geschwirrt ist, naiv, wenn er annimmt, dass alles, was Facebook, Forum und Fanseite füllt, echt wäre. Echt im Sinne tief empfundener Überzeugung desjenigen, der füllt. Den Content heran karrt, eben.
Social Marketing hat zwei wesentliche Aufgaben. Die erste ist, enden wollender Begeisterung über ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Person durch gezielte Fake-Ovationen auf die Sprünge zu helfen. Ganz im Sinne des klassischen claqueurs oder agent provocateurs, dem Lockvogel eben, der das Eis bricht und die Dinge ins Rollen bringt. Astroturfing, auf Neudeutsch. Die zweite Aufgabe von Social Marketing ist die strikte Befolgung des elften Gebots: Du sollst dich nicht erwischen lassen.
Wenn sich nun herausstellt, dass der so genannte Freund zwar selber keine Freunde, dafür aber ein gekauftes Gesicht einer amerikanischen Bildagentur hat, dann eröffnet das neue Dimensionen an Peinlichkeit. Stellt sich weiterhin heraus, dass der Pappkamerad auf Facebook nicht über irgendwen Lobreden schwingt, sondern über den Bundeskanzler, dann schwingen einerseits die Schleusentore weit auf und lassen einer Woge blanken Hohns freien Lauf. Gotcha! Das wäre jedenfalls die verständliche Reaktion politischer Feinde und – erst recht – Freunde in einer entwickelten Demokratie.
Was mich zum Andererseits bringt. Im vergangenen Vierteljahrhundert hat die politische Kaste Österreichs bis an die Spitze einen Prozess durchgemacht, der in Anlehnung an eine Leihgabe aus der Psychotherapie „Verschlemihlisierung“ heißen könnte. Ein uncharmanter Ausdruck für eine uncharmante Tendenz, zugegeben.
Der Amerikaner Eric Berne hat in seinen „Spielen der Erwachsenen“ einen Schlemihl charakterisiert, der auf Parties erscheint, sich dort pausenlos daneben benimmt und sich ebenso pausenlos hinterher entschuldigt. Die Entschuldigung wird angenommen, man will ja nicht so sein. Das Interessante dabei ist, dass der Schlemihl dabei immer gewinnt und die Grenze für schlechtes Benehmen jedes Mal ein wenig zu seinen Gunsten verschiebt.
Die Grenze für politische Chuzpe ist mit den Jahren auf ein Maß vorgerückt, das, verbunden mit galoppiender Erosion der staatsbürgerlichen Sensibilität für ebenjene Chuzpe, höchstens noch bei Schlammcatchen im Hohen Haus für brauchbare Einschaltquoten sorgen würde.
In diesem Sinne hat sich zwar nicht Faymann, aber folgerichtig seine Social Media-Beauftragte entschuldigt. Jedenfalls ein bisschen. Für den Fake, der da irgendwie passiert ist. Und der im Übrigen eine ganze Menge an voraussichtlich einander widersprechender Rechtsmeinungen zuließe. Man wisse nicht, wer hinter diesen falschen Freunden stecke, aber man habe sie blockiert. Tschuln.
Das ist nicht gut. Für den Kanzler. Denn wie es der Zufall so will, waren gerade diese Facebook-User auch die, die Feymann in den höchsten Tönen priesen. Was sie dazu bewogen hat, werden wie nie erfahren, da es sich bei ihnen durchwegs um Menschen handelt, die prinzipiell keine Informationen über sich preisgeben und auch keine Freundschaftsanfragen zulassen.
Spitzenpolitik ist ein einsames Geschäft. Gut, dass es wenigstens Freunde auf Facebook gibt.
Stefan Peters