Urlaub mit Kindern

28.9.2012

Der Sommer ist eigenartig. Superlative in Sachen Hitze, verzichtbarer Ideen und Realitätsverweigerung. Über Ausnahme- und andere Zustände.

Ferienzeit. Das ist nicht nur die Zeit, in der in und folglich aus Politikergehirnen Ideen sprießen, die während des Restjahres mit gutem Grund ungehört und unpubliziert verhallen würden. Was soll’s? Der Sommer ist eine tolle Zeit, in der die herrschende Hitze als Ausrede für fast jede Torheit herhält. Außerdem ist alles auf Urlaub, weilt dort, wo’s noch heißer ist. Die Daheimgebliebenen schütteln die Köpfe über die medial dargebrachten sauren Gurken, langsam nur, um keine Schweißausbrüche zu provozieren.

Ferienzeit ist auch die Zeit der verzweifelten Frage nach artgerechter Unterbringung der eigenen Brut. Seien wir ehrlich: Urlaub mit Kindern ist ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich, der nur jenen glaubhaft über die Lippen kommt, deren Aufgabe es noch niemals war, den eigenen Nachwuchs während der Ferien bei Laune und also auf Schiene zu halten.

Mit angewandter Heimpädagogik ist das so eine Sache. Sie ist eines der wenigen gesellschaftlichen Felder, die das Scheitern zwingend in sich tragen, so eine Art erratische Systemimmanenz. Das Originelle daran: Jeder tut so, als wär’s anders. Ist es aber nicht. Und so scheitern wir heimlich. An den eigenen Kindern respektive deren Ansprüchen im Leerlaufbetrieb, der sommerlichen Lücke, während derer der Schulbetrieb ruht, der Faden der steten Struktur abreißt.

Es ist ein ehrloses Scheitern am eigenen Kind, das die Fähigkeit besitzt, ein langes Ferienwochenende, gefüllt mit Kinderbespaßungsszenarien, zu sabotieren. Das also das Talent ausspielt, konsequent durchzumaulen. Und wir? Scheitern dran. Verlieren das Spiel, das da heißt: Wir sind eine Familie, die die Ferien genießt. Alle genießen. Alle? Nein. Ein kleiner Mensch führt uns am Nasenring an unserer Unzulänglichkeit entlang spazieren. Eine halbe Portion, die uns zu Verlierern macht. Pädagogik-Losern, sozusagen.

Damit wir uns recht verstehen: Das ist so, wie wenn zum Beispiel die Deutschen sagen würden, sie hätten die Europameisterschaft im Fußball verloren. Würden die nie. Sagen. Nicht einmal denken. Ja doch, sie haben ein Spiel verloren, gegen Italien. Aber die Meisterschaft? Gewinnen, das geht. Aber verlieren? Sagt man nicht. Denkt man nicht. Gibt’s also nicht.

Und die eigenen Kinder? Junge Menschen, die uns mit dreizehn, vierzehn erklären, wir mögen uns den Generationenvertrag feierlich in die Haare schmieren, sowas hätten sie niemals unterschrieben. Gegen die verlieren wir mit unschöner Regelmäßigkeit, wenn wir uns einbilden, pädagogisch handeln zu müssen.

Es wäre ja ganz einfach, so im Prinzip. Die Eltern fahren gemeinsam auf Urlaub, frischen alte Gelüste aufeinander wieder auf, erkunden die Welt, tun das, was unterm Strich Abenteuer oder Erholung bedeutet, je nach Anspruch. Derweilen verbringen die Kinder zwei wunderbare Wochen in der Obhut einer ausrangierten tschetschenischen Politkommissarin, die um einen Bettel darauf achtet, dass die Mindeststandards an Versorgungsleistungen gegeben sind. Versorgung mit kinderkompatibler Kost, also landestypischer mehrheitsfähiger Fertignahrung, die bei ihrem Verzehr tunlichst nicht mit der einhändigen Bedienung des Nintendo oder der Playstation kollidiert.

Fazit: Alle bekommen, was sie wirklich wollen. Und wenn ich sage, wirklich, dann meine ich das so. Nachdem elterliche und kindliche Urlaubsbedürfnisse ohnehin niemals kompatibel sind, ist pragmatisches Vorgehen dieser Art kein Verlieren, sondern allseitiger Gewinn. In der Politik heißt das Konsens. Alle sind im Paradies, alle sind glücklich. Man soll’s nur nicht den Nachbarn erzählen. Oder Freunden, schon garnicht denen aus der pädagogiknahen Szene.

Ach ja. Wir haben übrigens vergangenes Wochenende Campingausflug gemacht. An einem Stausee im Waldviertel auf einer malerischen Halbinsel. Mit Ruine drauf. Mit Elternzelt, Kinderzelt, Badestrand, Wasserspielen, Nachtspaziergang, Ruinenbesichtigung, auf dem Gaskocher balancierend zubereiteten Nudeln, Ausflug in die Nachbarstadt mit regionaler Mehlspeis. Und mit Nintendo, zwei Stück für zwei Zehnjährige.

Das war unsere Rettung. Die Nintendos nämlich. Das Einzige, worüber nicht auf Anschlag gemault wurde. Höchstens über die Tatsache, dass wir die Nintendo-Spielzeit eng begrenzten. Wir, die Eltern, hatten abends viel Zeit, um über das zu reden, was wir am Tag erlebt hatten, über die Zeit am Strand, über Kochrezepte mit Zutaten aus der Region und die Planung des Biernachschubs für den kommenden Tag. Und über die Frage, wo wir eine tschetschenische Politkommissarin auftreiben. Für’s nächste Mal. Damit’s nach Urlaub für Alle schmeckt.

Stefan Peters

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