3.12.2012
Über die Herrschaftsansprüche des Greisenalters oder Warum Politik und Wirtschaft voneinander nichts lernen brauchen.
Vor rund fünfzehn Jahren habe ich einen alten Mann zu seinem männlichen Rollenverständnis interviewt. Was ich zu hören bekam, ließ an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig: „I bin a Patriarch. Wo I bin, is vurn.“
Armin Wolf hat kürzlich Frank Stronach interviewt. Es war ein Match. Nicht Simmering-Kapfenberg, sondern Demokratie-Absolutismus. „Ich bin die Wahrheit“, hat Stronach gesagt. Sauer, weil er nicht, wie seiner Meinung nach vereinbart, im Fernsehen eine vorbereitete Rede verlesen durfte, weigerte er sich, klar gestellte geschlossene Fragen Wolfs mit Ja oder Nein zu beantworten.
Dass sich Politiker generell mit Entscheidungsfragen schwer tun, ist bekannt. Aber der Hauch von Nordkorea, der hier über den Bildschirm wehte, ist eine neue Dimension der Verweigerung demokratischer Spielregeln.
Jetzt könnte man natürlich auf verständlichen Altersstarrsinn plädieren, auf den Gewöhnungseffekt eines Gerontokraten, der seit Jahrzehnten ansagt, wo „vurn“ ist. Es hat in Wirtschaftsbetrieben eine gewisse Sinnhaftigkeit, wenn da und dort einsame Entscheidungen gefällt werden. Immerhin steht dann auch eine einzelne Person vor Gericht, wenn diese Entscheidungen gegen bestimmte Spielregeln verstoßen. Das Prinzip der Demokratie hingegen – man möge Onkel Frank einen Grundkurs in Altgriechisch spendieren – ist ein anderes. Hat was mit „Volk“. Das sind mehrere. Sich von der FPÖ das demokratiedefizitäre Führerprinzip abschauen und von der Wirtschaft die Neigung des Quantifizierens um jeden Preis: das ist eben alles mögliche, bloß noch kein politisches Programm.
Während die Blauen noch das Feigenblatt der Klientelpolitik schwenken, verzichtet Stronach auf Kleinigkeiten wie die, dass politisches Wirken dem Volk in irgendeiner Weise frommen möge. Er gibt ungeniert den L. Ron Hubbard von Österreich, schreibt sich „Make money. Make more money.“ auf die Fahnen und, wenn er schon dabei ist, auch das Primat auf die „Wahrheit“. Was auch immer das jetzt sein möge. Wir werden es erfahren, wenn er die nächsten Wahlen gewonnen hat.
Über Heinz Fischer sagt man, dass er, wenn es um Abstimmungen im Nationalrat ging, stets gerade am Klo war. Für Stronach gilt sinngemäß das Selbe, für den Fall, dass im Laufe seiner Schulbildung jemals das Fach „Politische Bildung“ am Lehrplan gestanden sein sollte. Er kann nichts dafür, dass er mit Institutionen demokratischer Systeme – wir erinnern uns an sein unentspanntes Verhältnis zur Gewerkschaft – wenig am Hut hat. Betriebsräte, Pressefreiheit? Keine Ahnung. Er war grad am Klo.
Dort, wo er wirtschaftlich und wohl auch politisch herkommt, in Nordamerika, lenkt die Wirtschaft die Politik. Mother Green sagt ihren Kindern, wo’s langgeht. In Europa haben wir – noch – ein bisschen Grundkonsens darüber, dass die Politik als Werkzeug des Gemeinwohls über der Wirtschaft als Werkzeug des Unternehmensprofits stehen sollte. Das ist altmodisch. Das nivelliert. Gewinne. Und Verluste.
Frank Stronach hat auch das versucht, klar zu machen. Er hat die Schellenkappe aufgesetzt und den Magna-Konzern live zum quasi gemeinnützigen Verein erklärt. Frank, die Mutter Teresa der free enterprise. Der Heimat großer Sohn, der öffentlich auf das pfeift, wozu jedes Unternehmen auf der Welt ursächlich da ist: Maximierung des Profits.
Demokratische Politik und Wirtschaft haben unterschiedliche Ziele, unterschiedliche Mittel, brauchen unterschiedliche Talente. Wenn ein Wirtschaftstreibender der Politik Unfähigkeit vorwirft, dann meint er Unfähigkeit als Wirtschaftstreibender. Das ist, wie wenn ein Goldfisch ein Rotkehlchen für dessen mangelnde Schwimmkünste kritisiert. Frank Stronach ist dieser Goldfisch. Er bot uns bei Armin Wolf das bizarre Schauspiel eines Flugversuchs. Inclusive Senkrechtlandung.
Stefan Peters